Pappig
und bequem
Das belegte Brötchen oder wie man den Mund
vollkriegt
Da liegen sie: außen goldbraun bis hellbeige, innen weiß und löchrig,
selten knusprig und sorgfältig in zwei Hälften zerteilt. Dazwischen Käse, Aufschnitt,
Fisch, heiße Wurst und Frikadellen, Salatblatt, Tomate oder Gurke. Dem belegten
Brötchen, neudeutsch Sandwich genannt, schwören vor allem der voll arbeitende Single,
aber auch andere Werktätige in Zeitnot Treue bis in die tiefe Nacht. Ob Bäcker, Metzger,
Lebensmittel- und Imbissläden: Es wird geschnitten, geschmiert, garniert, auf dass der
Hunger zwischendurch die Kasse klingeln lasse.
Fast food, diesmal nicht aus der Klopsbraterei und vom Hotdog abgesehen
weitgehend ketchupfrei, ohne Aufwand und Zeitverlust ein Convenience-Produkt für den
gestressten Städter. Der Markt mit dem bequemen Brot hat sich in den vergangenen zehn
Jahren verdoppelt und nach Ansicht der Lebensmittel- und Marktforscher weiterhin beste
Zukunftsaussichten. Im Jahr 2000, prophezeien die Experten, wird etwa die Hälfte aller in
Deutschland hergestellten Brote und Brötchen außer Haus zubereitet und angeboten.
Vor allem in der "edlen" Form: Statt Dauer- und Schmierwurst ins
Brötchen werden Lachsscheiben, Shrimps oder Serranoschinken zwischen zwei Klein- oder
Stangenweißbrotscheiben gepresst. Das heißt dann Baguette, kostet mehr und passt
besonders gut zur stadtfeinen Armani-Kombination. Nur Salatblatt und Tomatenscheibe
bleiben, was sie sind: Vitaminträger mit Alibifunktion und traurige Reverenzen an die
Warnung der Ernährungsforscher vor der unausgewogenen Kurzmahlzeit im Stehen.
Immerhin hat Brot einen gewissen Ernährungswert. Die Frankfurter
Vereinigung Getreide-, Markt und Ernährungsforschung hat uns vor kurzem sogar den
Europameistertitel bescheinigt. Im Brotverzehr pro Kopf und Tag schlägt der Deutsche (226
g) den Europäer (184 g) um satte 42 Gramm. Im Durchschnitt jedenfalls und mit wachsender
Liebe zu ausländischen Produkten wie Baguette, Croissant und Fladenbrot.
So zeigt der Süden dem Norden, wo es lang geht, und vorbei sind die
Zeiten, in denen Famlien haltbar verpackte Schwarzbrotscheiben in den Italienurlaub
mitschleppten, um dem Diktat des geschmacksneutralen Weißteigs zu entrinnen. Heute läuft
man für Fladenbrot zum Türken an der Ecke oder bestellt beim Bäcker im Voraus die
extralangen Stangenbrote für das abendliche Mehr-Gang-Menü mit Gästen. Weiß und fein
muß es sein - und gegen die Pappigkeit hilft, zu Hause wenigstens, das Aufbacken.
Viele mögen's auch weich und können selbst einer ungerösteten
Toastbrotscheibe noch Genuss abringen. So ein zum Dreieck geklapptes Weichteil war in den
Vereinigten Staaten schon vor 20 Jahren als Sandwich en vogue und hätte, vor allem mit
Erdnussbutterbelag, ohne weiteres den Knebel ersetzen können. Der macht den Mund auch
voll und ist nicht so leicht zu schlucken.
Das belegte Brötchen offenbar auch nicht. Jedenfalls begleitet die
gemurmelte Bestellung der Kollegen vor der Brötchenplatte aus der Betriebskantine immer
ein tiefer Seufzer. Qual der Wahl? Wer schnell ans Brot will, muß auch die Belagsfrage
schnell entscheiden: Was, Salami ist aus? Na gut, dann eben Käse! Da ist der überzeugte
Pausenbrötchenkäufer Fatalist. Und glücklicherweise in Geschmacksfragen total liberal,
denn andernfalls müsste er selber schmieren. Aber das wäre ja viel zu unbequem! |
|