Fix und fettig
Die Lust am schnellen Essen
Triefende Kartoffelstreifen unterm Mayonnaise-Berg, Wurst mit
Curry-Ketchup-Decke, schwimmend ausgebratene Fleischfladen zwischen faden
Weißbrothälften: wenig appetitlich, aber sättigend. Der Lust auf Schnellkost verfällt
fast jeder - nicht nur zur Mittagszeit. Der knurrende Magen wird im Stehen besänftigt,
weil's schnell geht und so praktisch ist.
Restaurants, die den Hunger im Handumdrehen stillen, passen zur
schnelllebigen Zeit wie Pentium und PC. Die neue Generation der Kopfarbeiter tauscht Ideen
via Netzwerk und zeigt wenig Neigung, für ein Zeit raubendes Menü aus der Datenautobahn
zu surfen. So sterben Markenzeichen aus wie etwa das Pariser Bistro, Sinnbild
französischen Savoir Vivre. Dort trocknen in den Bistros frühmorgens frische Croissants
vor sich hin, weil die gehetzte Klientel den Kaffee lieber gleich am Bahnhof schlürft -
mit Hörnchen zum Pauschalpreis. Auch mittags opfern die Pariser das
Quartier-Latin-Ambiente der nüchtern durchgestylten Imbissketten-Öde. Viele
Bistro-Türen schlossen sich für immer, weil selbst ein tägliches
"Express-Gericht" das Zeitkonto der Kunden überzog.
Der Hamburger etabliert sich als das Nonplusultra aktueller
Mittagspausen-Kultur. Ehe eine Sekunde vergeht, haben weltweit 500 Menschen sich einen
braunen Fladen in den Mund geschoben. Die Fangemeinde schwillt inzwischen auch in Asien
an. In Hongkong verdrängt das Imbissmodell aus dem US-Staat Kansas zunehmend Reis und
Gemüse vom Mittagstisch. Die Einwohner nehmen heute doppelt soviel Fett zu sich wie ihre
Großeltern.
Zuviel Fleisch und zuviel "Fast-Food" nennen Ärzte die
Dickmacher beim Namen. "Bequem und Zeit sparend", loben dagegen gestresste
Büroangestellte die fixe Verlockung. Gewachsener Wohlstand stimuliert die Gelüste - auch
bei den Kids. Wenn ihr Taschengeld-Budget steigt, entstehen neue Szene-Treffs: Nach der
Penne zum Pommes-Stand oder in die Filialen der US-Imbissketten. Kalorienzufuhr ohne
Augenmaß, ohne Vitamine, ohne Mineralstoffe, das rächt sich. Hongkongs Nachwuchs
bescheinigen die Mediziner den zweithöchsten Cholesterinspiegel weltweit, direkt nach den
Finnen. Bei deutschen Kindern liegt er um etwa zehn Prozent über dem Weltdurchschnitt.
Die Folgen: kranke Herzen, Arteriosklerose, Diabetes. Der reiche Teil der Menschheit wird
zu dick.
Wucher mit Fett und Zucker - und kein Ende in Sicht. Die Äcker spielen
schon nicht mehr mit. Der Zentralverband des deutschen Kartoffelhandels prophezeit schon
den Ausverkauf der heimischen Kartoffel, die ein ums andere Jahr nur noch spärlich
sprießt. "Pommes-Krise"? Dann wird die Fremd-Knolle unters Messer müssen.
Verzicht passt nicht ins Vokabular der dicken Wohlstandskinder, nicht einmal der
Gesundheit zuliebe. Es bleibt, wie man isst: das Gewissen schlecht, der Appetit riesig. |