Gerd KösterNiemals fehlt der Blues

Der Kölner Sänger Gerd Köster setzt auf die bunte Mischung: Lieder, Krätzje, Geschichten, Lesungen

Wirklich flach, der Vierzeiler über Fritz (Wepper) und Pierre (Brice). Aber, sagt Gerd Köster, "man muss auch mal was Flaches zulassen. Sonst wird man blöd." Das lässt sich dem Kölner Sänger, Texter und Schauspieler Köster beim besten Willen nicht nachsagen. Und das liegt nicht an Harry Klein und Winnetou. Eher schon daran, wie wichtig man sich nimmt. Dass sein Dylan-Song "Muse feife inne Wind" für eine Anspielung auf Wolfgang Niedeckens Dylan-Platte gehalten wurde, nahm er lässig in Kauf. "Man muss das auch zulassen." Dabei war es gar kein Seitenhieb. Der Text von Wiglaf Droste, eine Version von "Blowin' In The Wind" in gebrochenem Deutsch, hatte den Ausschlag gegeben. "Der passte wunderbar ins Programm." Den Rest sieht Köster nicht so eng. Und den Satz mit dem "Zulassen" sagt er gern. Und oft.

Probleme mit seinem Image hat er nicht. Auch nicht, wenn "Der Spiegel" schreibt, Köster habe im "Mittelfinger mehr Sex-Appeal als Müller-Westernhagen unterhalb der Gürtellinie". Oder seine Plattenfirma ihn als "erotischen Teilchenbeschleuniger" preist. "Ich denke dann immer: ja, ja, ist ja schon gut", sagt Köster. "Es bauchpinselt, zum Teil ist es einfach peinlich." Unumwunden bekennt er, dass er mit drinhängt in dieser best-of-everything-Manie. "Wenn du heute nicht mit mindestens 15 Superlativen aufwartest, denken die Leute, das kann ja nichts sein. Das müsste man eigentlich mal brechen."

Köster hat Superlative nicht nötig. Seit der erfolgreichen "Chaos-Zeit" mit Schroeder Road Show in den achtziger Jahren hat er sich kontinuierlich zu sich selbst entwickelt. Und zu der Mischung, die er mit der Gruppe "The Piano Has Been Drinking" testete und mit dem "Maat höösch"-Programm zur Köster-Kunstform ausfeilte. Ein Geschichtenerzähler, der singen kann. Ein Sänger, der brillant rezitiert. Beschenkt mit einer ebenso abgrundtiefen wie wandelbaren Stimme: Köster röhrt und röchelt, er krächzt, kräht, säuselt. Selbst wenn er flüstert, hört niemand weg. Wie Farben auf der Palette mischen sich die Untertöne. Wenn er lustvoll in sonoren Tiefen moduliert, kriegt er mühelos alles über die Rampe - und wenn es etwas Flaches ist.

Tom Waits sowieso. Der kalifornische Songwriter wird ihn so schnell nicht verlassen. Muss er auch nicht. Köster wäre der letzte, der eine Seelenverwandtschaft zu dem fast zehn Jahre älteren Waits leugnen würde. Inzwischen singt er auch die englischen Texte. Und weiß, dass er ohne die eingekölschten Songs heute anders dastünde. Ein Jahrzehnt lag zwischen den Übersetzungen und der ersten Waits-Platte in seinem Leben. Die hörte er zufällig in den alten Schroeder Roadshow-WG-Zeiten. Die kölsche Umsetzung kam erst später: "Das zerebrale Notizbuch hat da manchmal eine retardierte Funktion."

So sinnig die Kölner Mundart dem Zuhörer vorkommt, so wenig lag sie Köster zunächst nahe. "Man muss das auch zulassen. Neben der Notizbuchdrüse sitzt die Kontrollinstanz, und die sagt: Achtung, damit könntest du dich auch blamieren." Gut, dass er's zugelassen hat. Einmal hat er Waits getroffen. Abendessen in Hamburg. Und Waits brummte: "Oh well, keep the spirit." Köster: "Er hat es abgesegnet." Ist man dann stolz? "Na, klar!" Aber immer der "kölsche Waits" zu sein, ermüdet dann doch: "Ich bin es leid, auf ihn reduziert zu werden."

Es gibt genug andere Gründe, stolz zu sein. Zum Beispiel die Schauspieler-Karriere. Sein gelungenes Debüt als Freizeit-Musikant Chuck Dreher in Georg Ringsgwandls "lausiger" Operette "Die Tankstelle der Verdammten" 1994/95 (Regie: Günter Krämer) trug ihm einen Vertrag am Kölner Schauspielhaus ein. Also spielte der Vater zweier Kinder weitere Rollen, in Kinder-Musicals, in ernsteren Stücken. Die "Faszination Bühne" hat ihn umklammert, im Theater noch fester als in den Clubs. "Ich bin sehr froh, dass da immer alle pünktlich sind." Wie bitte? Er grinst: "Wenn es ein Sparschwein gäbe, wo man statt Geld Zeit 'reinschmeißen könnte, hätte ich jetzt ein dreiviertel Jahr Urlaub." Warten auf Musiker, warten, bis endlich alle soweit sind, dass es losgehen kann das liebt er nicht. Im Schauspielhaus beginnt die Probe pünktlich, und alle sind sofort präsent, sagt er. "Anstrengend, aber effektiv."

Weil ihm das Texten nach wie vor sehr wichtig ist, bleibt der frühere Torwart (DJK Grün-Weiß Nippes) und Altenpfleger der Club-Bühne treu. Köln und dem Karneval auch. Und mit seiner Veranstaltung "Gerd Köster und . . ." scharte er seine Fangemeinde mit Musik, Lesungen und Sketchen enger um sich. "Eine Art Forum" stellte Köster sich vor. "Die Leute sollen da irgendwann hingehen und wissen, das wird interessant, auch wenn sie den Gast nicht kennen." So kam es denn auch. Kösters Konzept der Gegensätze - taufrischer Blues, Geschichten zum Nachdenken und "Flaches" bis Geistreiches zum Lachen - ist ein Gerüst, das viel Spielraum lässt.

Seit neuestem sind die "Krätzchen" dazu gekommen, eine Art Straßenmusik zwischen Nippes und Weidenpesch - gemeinsam erarbeitet mit dem Gitarristen Frank Hocker, seit Jahren schon an seiner Seite. Einfache, witzige, kölsche Moritätchen - auch die nicht ohne Blues.

Die Karriere des Gerd Köster: Jede Menge Vergangenheit, jede Menge Zukunft. "Von mir spricht man in drei Jahren noch", prophezeit er und lacht ironisch. Ein gutturales, kurzes, trockenes Lachen. Wenn der Blues wirklich ein Lebensgefühl ist und Köster die Nähe zu Nippes und der Straße nicht verliert, kommt noch einiges auf uns zu. Und wenn es mal wieder Waits ist. Ein Lied wie "Tom Traubert's Blues" legt er hin, dass man zu atmen vergisst. Aber auch seine eigenen Stücke haben alles, was ein anständiger Blues/Song braucht.

Der Blues ist die eine Leidenschaft. Der Fußball ("Das Rest-Keeper-Herz schlägt für Fortuna und den 1. FC") eine andere. Im Urlaub nimmt er sich gerne Zeit fürs Kochen. Auch eine Leidenschaft. Wie der Rotwein. Da darf es schon mal ein 93er Lafite-Rothschild sein. Das Lager-Regal dafür kommt als Einfach-Version vom Möbel-Discounter. Und das schraubt er dann selber zusammen.

©imke habegger 2002

 

 

 

 

 

 

Gerd Köster: Tom Traubert's Blues (©Köster/Tom Waits)