Magische Augenblicke

Interview mit Eric Clapton

"Für mich ist es paradox, live aufzutreten", sagte Eric Clapton während seiner Tour. Und mitklatschende Fans mag er auch nicht. Aber wenn alles harmonisch abläuft, hat das für ihn etwas Heiliges.

Wie stellen Sie die Songs für eine Tournee zusammen?

In diesem Fall haben wir fünf Wochen lang eine Menge Songs geprobt und dann einen nach dem anderen aussortiert. Auf Tournee tauschen wir dann noch einige Songs aus, bis alles aus einem Guss ist. Früher war ich spontaner. Ich glaube, das hat mit meinem Alter zu tun. Heute habe ich gern eine Grundlage, an der ich nur ein bisschen verändere. Allerdings ist die Veränderung ziemlich subtil, und die meisten Leute mit Ausnahme der Musiker merken den Unterschied von einem Abend zum nächsten wohl gar nicht.

Sie kombinieren alte und neue Songs. Macht Ihnen das nach Ihrer Bluestour noch Spaß?

Bei der Bluestour hatte ich jeden Abend Angst davor, auf die Bühne zu gehen. Weil ich wusste, dass das Publikum das Material nicht kennt. Das wollte ich den Zuhörern nicht noch mal antun. Deshalb bringe ich jetzt was Neues und kehre dann in die Vergangenheit zurück. So fühlt sich auch das Publikum wohler.

Reagieren Sie, wenn Sie den Eindruck haben, dass ein Song nicht ankommt?

Für mich ist es sowieso paradox, live aufzutreten. Ein Teil von mir will das Publikum gar nicht da haben. Es ist fast so, als würde es sich in meine Privatangelegenheiten einmischen. Wenn das Publikum begeistert reagiert, spreche ich allerdings auch darauf an, und dann steigere ich mich. Manchmal, wenn keine Reaktion kommt, werde ich sauer. Dann konzentriere ich mich auf die Arbeit mit der Band und lasse das Publikum links liegen. Mein Ego braucht zweifellos dieses Lob und diese Begeisterung.

Fühlen Sie sich hinterher besser?

Ja, natürlich, wenn alles harmonisch abläuft, hat das etwas Heiliges. Das mag sich banal oder anmaßend anhören, aber immer dann, wenn Musik optimal dargeboten wird und jeder - auch das Publikum - wirklich engagiert ist, entstehen magische Augenblicke. Einzigartige Situationen, die nie wiederkehren. Das sind ganz besondere Teile in meinem Leben, an die ich mich gern erinnere und die ich in Ehren halten möchte.

Hängt das vom Ort ab?

Beim ersten Konzert hier in Helsinki war ich müde. Ich fühlte mich krank. Und dann kam ich auch noch schlecht mit der Hallenakustik zurecht. Der Sound war wie in einem kleinen Raum. Wie in diesem Hotelzimmer, und ich hatte das Gefühl, als hätte ich eine Ziegelmauer direkt vor der Nase. Deshalb verfiel ich in eine Art sensorische Deprivation. Mir wurde schwindlig und übel. Beim zweiten Konzert gingen wir mit Humor 'ran. Nach dem ersten Song lachte ich die anderen einfach an, und wir fühlten uns miteinander verbunden. Und schließlich wurde daraus noch ein ganz besonderer Abend. Es war eine Art Triumph in aussichtsloser Situation.

Leiden Sie unter Lampenfieber?

Nur, wenn ich mich nicht gut fühle. Wenn ich müde bin, Magenprobleme oder Grippe habe, dann bekomme ich Angst, dass ich nicht mein Bestes geben kann, dass ich den Text vergesse oder falsch spiele. Mein eigener Perfektionismus macht mich dann ungeheuer nervös. Außerdem bin ich überzeugt, dass jeder sehen kann, wieviel Angst ich habe, und so schließt sich der Kreis und es wird immer schlimmer. Zum Glück geschieht das selten. Normalerweise habe ich kein Lampenfieber, weil ich weiß, was ich tue und dass ich spielen und singen kann. Das ist auch das Gute an einem Plan. Jeder weiß, wo er hingehört. So entsteht Kontinuität: Wir gehen zuerst in die Garderobe. Da spielen wir Tischfußball oder Karten. Vor jedem Konzert läuft dieses feststehende Ritual ab.

Stört es Sie, dass das Publikum bei "Tears in Heaven" mitklatscht?

(Lacht): Na ja, wir haben gerade in der Bar darüber diskutiert, ob wir nicht ein Schild "Bitte nicht klatschen" aufhängen sollten. Wenn ich leise Songs spiele, dann kommt das Klatschen nur mit Verzögerung bei mir auf der Bühne an. Wenn es mich dann erreicht, ist es nicht mehr im Takt. Und dann wird es sehr schwierig. Deshalb meine Bitte: Es ist zwar lieb gemeint, aber bitte klatscht nicht mit. Ob es vom Inhalt her angemessen ist, weiß ich nicht.

Warum haben Sie den alten Cream Song "Crossroads" immer noch im Repertoire?

Das ist ein sehr wichtiger Song in meinem Leben. Er stammt ja von Robert Johnson. Ich habe sein Album "The King of the Delta Blues" zum erstenmal mit 15 oder 16 gehört. Tolle Songs. Für mich war vor allem wichtig, dass er auf sehr verschiedene Weise Gitarre spielte. Der Song "Crossroads" wirkte von der Aussage her auf mich wie das Sprachrohr des Albums. Der Inhalt des ganzen Albums lag weitgehend in diesem einen Lied. Es wurde dann quasi zum Lied meines Lebens. "Crossroads" ist ein typisches Dilemma, vor dem ich immer wieder stand, wenn ich Lebensentscheidungen treffen musste. Sei es in einer Beziehung oder beruflich, oder wenn es um einen Umzug ging. Der Song ist also wirklich immer ein Teil meiner Karriere gewesen.

Fühlen Sie sich jetzt wieder an einem solchen Scheideweg?

Ich glaube schon. Ich scheine in Zyklen von fünf Jahren in diese Situation zu geraten. Manchmal ist es auch der Zyklus, der mit dieser Branche zu tun hat. Album, Tournee, Album, dann wieder eine Tournee usw. Da fühlt man sich wie der Hamster in seinem Laufrad. Ich verliere dann den Überblick darüber, wo ich angefangen habe und wo ich aufhören werde. Ich bin jetzt am Ende eines solchen Zyklus angelangt. Vor zwei Jahren habe ich das Album aufgenommen, dann kam die Promotiontour, dann die Tournee. Die ist jetzt bald vorbei. Danach habe ich noch ein paar Termine in den USA. Danach folgt das Nichts, ein weiteres Paradox, das mir Angst macht. Andererseits finde ich es aber auch spannend, wegen der Chancen, die es bietet.

Sie wissen noch nicht, was Sie dann tun werden?

Einige Ideen habe ich schon. Ich würde gern in einem anderen Bereich meines Lebens weiterkommen, der bei weitem nicht so sicher ist wie meine Musikerkarriere. Ich möchte Menschen mit Alkohol- und Drogenproblemen helfen. Ich habe in den letzten Jahren bei verschiedenen Projekten mitgemacht. Und schon vor langer Zeit hatte ich darüber nachgedacht, etwas Eigenes aufzuziehen oder mit jemandem zusammenzuarbeiten. Und das ist jetzt angelaufen.

Sie sprechen von Ihrer Drogenklinik "Crossroads" auf der Karibikinsel Antigua?

Genau. Anfangs hatte ich allerdings gedacht, ich könnte das anstoßen, dann wieder meiner Wege gehen und später als Besucher wiederkommen. So hatte ich das bei vielen Projekten gemacht. Ich hatte gedacht, ich könnte zusammen mit anderen Geld in dieses Projekt stecken, und dann würde sich alles selbst tragen. Aber es ging schief. Ich musste viel mehr Geld und Engagement investieren, als ich erwartet hatte.

Was lief denn falsch?

Die Leute, mit denen ich mich anfangs zusammengetan hatte, verkauften ihre Beteiligung weiter. Die neuen Partner waren an der Sache nicht so interessiert. Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen. Und ich stand plötzlich vor der Entscheidung, mich ganz zurückzuziehen und sehr viel Geld zu verlieren oder den anderen Teil aufzukaufen. Eine Reihe von Freunden und Geschäftspartnern rieten mir sehr davon ab. Das finanzielle Risiko sei zu hoch, sagten sie. Das ist es auch immer noch. Gewinne sind damit überhaupt nicht zu erzielen. Und um auch nur die Kosten zu decken, werden wir sehr hart arbeiten müssen. Ich hatte mir quasi selbst mein Wort gegeben, die Sache durchzuziehen. Jetzt bin ich also der Alleineigentümer. Ich ernannte jemanden, der die Geschäfte führt. Vor ein paar Wochen haben wir das Zentrum eröffnet. Nächstes Jahr werde ich wohl einen großen Teil meiner Zeit und Energie darauf verwenden, das Zentrum über Wasser zu halten.

Werden Sie dort persönlich mit den Süchtigen sprechen?

Klar. Und ich versuche außerdem, den Menschen in Europa und den USA bewusst zu machen, dass das Zentrum auch für internationale Kunden gedacht ist. Ursprünglich sah das Konzept vor, dass zu einem Drittel mittellose Leute aus Antigua kostenfrei behandelt werden sollten. Die restlichen zwei Drittel sollten zahlende Klienten aus Europa und Amerika sein. Die sollten dann die einheimischen Süchtigen subventionieren. Dummerweise kommen im Moment nur Leute, die nicht zahlen können. Wir gehen pleite, wenn ich nicht noch einige Leute finde, die zu zahlen bereit sind.

Also sind Sie auf Unterstützung von außen angewiesen?

Mein Toursponsor hat sich bereiterklärt, Busse zu spenden. Das ist sinnvoll, weil die Straßen auf Antigua so schlecht sind. Wir brauchen vernünftige Transportmittel für die Menschen dort.

Werden Sie Ihre eigenen Suchterfahrungen einfließen lassen?

Ich habe beispielsweise darum gekämpft, dass Walkmen im Therapiezentrum zugelassen werden. Die Therapeuten waren dagegen. Aber als ich eine Therapie durchmachte, da war meine Musik eines der wenigen Dinge, an denen ich mich festhalten konnte. Ich saß in dieser Klinik irgendwo in den USA unter lauter Fremden. Und das einzige, das mich an meine Identität erinnerte, waren meine drei oder vier Musikkassetten und mein Walkman. Ich habe auch daran gedacht, Musiktherapie einzubeziehen. Schließlich ist erwiesen, dass Musik heilende Wirkung hat.

Was war für Sie schwieriger, der Alkoholismus oder die Heroinsucht?

Der Alkohol. Der Alkoholismus ist subtiler. Als Junkie habe ich gar nichts mehr zustande gebracht. Nachdem ich mir einen Schuss gesetzt hatte, sackte ich in mir zusammen und dämmerte dahin. Ich war aktiv wie ein Sofakissen. Jemand der getrunken hat, kann dagegen noch richtig witzig sein. Aber auch da gibt es eine Grenze. Die überschritt ich allerdings regelmäßig. Ich war eine Zeitlang unterhaltsam, dann wurde ich sehr aggressiv oder weinerlich und sentimental oder auch deprimiert. Die Stimmungen wurden immer unberechenbarer. Es wurde immer schlimmer. Aber allgemein kann man den Alkoholismus ganz gut verstecken. Zumindest anfangs. Ich setzte mich zu den anderen in den Pub und begann zu trinken. Danach ging ich nach Hause und trank allein weiter. Meine Mitmenschen habe nur die Spitze des Eisbergs mitbekommen, den Glamour und den Spaß, die die Rock'n'Roll Szene so attraktiv machen. Aber der Rest ist ein Alptraum. Am Ende war ich selbstmordgefährdet. Die Leute sagten: Guck mal, wie viel zu erreicht hast, eine wunderbare Frau, die Autos, das Haus, das viele Geld, eine tolle Karriere. Und ich konnte nur noch darüber nachdenken, wie ich dem allen ein Ende setzen könnte. Ich war am Boden. Ich hasste mich selbst. Wissen Sie, was mich ärgert?

Was denn?

Dass der Alkoholismus gesellschaftlich akzeptiert ist und quasi noch gefördert wird. Heute ist es schwierig, in ein Restaurant zu gehen, ohne zu trinken. Deshalb gehe ich nicht mehr viel aus, weil ich der Außenseiter bin, der nichts mit Drogen und Alkohol am Hut hat. Ich bin wie ein Mensch vom anderen Stern. Vor allem in London, da ist es heute schlimmer als je zuvor.

Aber jetzt gehören Sie doch zur Familie der Überlebenden. Ihre Freunde Ringo Starr und Maurice Gibb haben mir erzählt, dass sie Sie bei den Sitzungen der Anonymen Alkoholiker getroffen haben.

Schon richtig. Ich weiß allerdings nicht, ob das so großartig ist, dass sie das 'rumposaunen. Ich habe viele Freunde, die nicht trinken. Und ich weiß, ich kann mich auf sie verlassen. Nachdem ich mit dem Trinken aufgehört hatte, verlor ich erstmal eine ganze Reihe von Freunden. Das war ein ziemlicher Schock.

Aber während Ihrer Suchtzeit sollen Sie sich auch nicht nur Freunde gemacht haben...

Ich war richtig asozial! Ich konnte in kein Hotel, in kein Restaurant gehen, ohne jemanden zu beschimpfen oder zu beleidigen. Es war mir unmöglich, mich zwischen Situationen zu bewegen, ohne jede Menge Schaden zu verursachen. Und ich bin heute noch sehr misstrauisch. Vor allem, was politische Programme und die Medien angeht. Ich neige dazu, jeden für gekauft zu halten, zu glauben, dass unser Umfeld weitgehend finanziell kontrolliert wird. Ich bin sehr argwöhnisch und vorsichtig. Aber ich bin kein Zyniker. Ich bin eigentlich ein sehr optimistischer Mensch und setze auf das Gute im Menschen.

Eine Zeit lang sah es so aus, als würde der Mensch Eric Clapton hinter dem Musiker zurückstehen. Was steht für Sie jetzt an erster Stelle?

Das Menschliche. Als Mensch trage ich eine größere Verantwortung als als Musiker. Wenn jemand zu mir sagt: "Ich mag es nicht, wie du spielst", dann antworte ich: "Das ist nicht mein Problem." Aber wenn jemand kritisiert, wie ich mich verhalte oder jemand anderen behandle, dann muss ich zuhören. Als ich zum zweiten Mal in die Therapie musste, stellte ich mir die grundlegende Frage: Will ich Musiker bleiben, wenn das bedeutet, zu trinken und Drogen zu nehmen? Und ich kam zu dem Schluss: Nein, das will ich nicht. Wenn das dazugehört, höre ich lieber damit auf. Ich will lieber leben. Ich will lieber ein funktionierender Mensch sein als ein sterbender Musiker.

Sie konnten ohne Alkohol oder Drogen nicht kreativ sein?

Ich dachte damals, man müsse das eine tun, um das andere zu schaffen. Ich konnte nicht schreiben, wenn ich nicht zu war. Eine traurige Vorstellung, denn sie nimmt einem jeden Glauben an die eigenen Fähigkeiten. An einem bestimmten Punkt erkannte ich, dass es wichtiger ist, überhaupt zu leben, als Musiker zu sein. Ich stufte die Musik in der Prioritätenskala herab. Und dann machte sie mir auch wieder Spaß. Plötzlich war der Druck weg.

Und jetzt sind Sie ein besserer Mensch?

Ich habe irgendwann festgestellt, dass es mir gut tut, wenn ich mich um die Bedürfnisse anderer Menschen kümmere. Ich war immer der Ansicht gewesen: wenn ich mich um meine Wünsche und Bedürfnisse kümmere, werde ich mich gut fühlen. Aber das funktioniert bei mir nicht. Das ist wie ein Fass ohne Boden. Je mehr ich hineintue, desto hungriger bin ich. Ich musste also lernen, das Gegenteil zu tun. Das war schwer. Ich war ein selbstsüchtiger, gieriger Mensch. Inzwischen habe ich auch gelernt, einfach mal zum Telefon zu greifen und spontan jemand anzurufen. Wenn ich das schaffe, grenzt das schon an ein Wunder. Aber danach fühle ich mich toll. Und trägt dazu bei, das zu erreichen, was ich Glück nenne.

Auf Ihrer CD "Pilgrim" ist Ihre 13-jährige Tochter Ruth zu hören. Und sie hat auch schon mit Ihnen auf der Bühne gestanden. Planen Sie weitere Projekte mir ihr?

In den Ferien kommt sie für ein paar Tage vorbei. Das ist für sie so, als würde sie zum Zirkus gehen. Aber ich kann es nicht vertreten, sie aus ihrem Leben herauszuholen und auf Tournee mitzunehmen. Da lernt sie nur verrückte Sachen, die ihr nicht guttun.

Welche zum Beispiel?

Ich fühle mich unwohl, wenn sie auf der Bühne steht und mit den Backgroundsängerinnen tanzt. Ich sehe, wie sie sich in ihrem kleinen Kopf zurechtlegt: "Oh, wenn ich singe und ein bisschen mit dem Hintern wackle, dann drehen die da unten durch." Sie findet das toll. Wer täte das nicht.

War das bei Ihnen früher ähnlich?

Nein. Als ich 17 oder 18 war, wusste ich, dass das der falsche Weg war. Ich versuchte, ihn zu vermeiden. Deshalb verließ ich eine Band nach der anderen, weil sie alle direkt aufs große Geld zusteuern wollten. Aber ich liebte die Musik. Und ich sagte mir: Wenn ich das Spiel mitmache, dann schadet das der Musik. Denn irgendwann werden sie uns beispielsweise in den Fernsehstudios vorschreiben, was wir zu spielen haben.

Sie wollen also nicht, dass Ihre Tochter ins Showgeschäft einsteigt?

Es wäre wohl unfair und engstirnig, sie von einer Musikerkarriere abzuhalten. Aber ich weiß nicht, ob ich sie noch einmal zu einem Projekt dazu hole. Ich hatte sie einen Text aus Aldous Huxleys "Brave New World" sprechen lassen, weil ich dachte, es passt gut, wenn ein Teenager so einen philosophischen Text spricht. Aber als ich dann später die Reaktion sah, war ich mir nicht mehr sicher, ob meine Entscheidung richtig war. Sie saß mit ihrem Cousin in meinem Auto, und ich legte die Rohfassung der CD auf. Als der Song mit ihr anlief, sagte Ruth: "Spiel den lieber nicht, Daddy." Ich bot ihr an, den Song aus dem Album zu streichen. Aber dann sagte sie. "Er kann draufbleiben. Ich will ihn nur nicht hören."

Ist es schwierig für Ruth, Eric Claptons Tochter zu sein?

Das bringt schon ein paar Probleme mit sich. Sie muss sich in der Schule komische Bemerkungen über mich anhören. Da hat es ein Kind von einem Fabrikarbeiter leichter. Andererseits scheinen die jungen Leute von heute großen Wert darauf zu legen, ins Fernsehen zu kommen. Dafür machen sie alles.

Früher war das anders?

Ich bin genau andersherum erzogen worden. Ich habe immer versucht, die Öffentlichkeit zu meiden. Ich wollte nicht, dass meine Persönlichkeit und meine Talente ausgeschlachtet werden. Ich finde es schwierig, Ruth diese Gedanken zu vermitteln, ohne allzusehr auf Disziplin zu pochen. Sie liebt MTV. Sie glaubt an die Botschaft: Wenn du ein Lied singst und deinen Bauch zeigst, wirst du berühmt. Mit den ganzen Girl Groups heute hat man es als Vater einer Tochter schwer. Ich möchte sie ja gern in Allem unterstützen, was sie will. Aber ich glaube, sie könnte etwas Besseres aus sich machen. Viele dieser jungen Leute sind mit 25 ausgebrannt. Sie können dann nur noch versuchen, als TV-Promi durch die Gegend zu ziehen. Und das ist ja nicht nur das Problem der Spice Girls. Auch den Jungs in den Boy Groups geht das so. Sie halten sich ein Jahr, und was dann? Diese Sucht nach Aufmerksamkeit macht die Psyche kaputt. Das ist gefährlich. Die Kids hängen von der Gnade der Leute mit den Plattenlabels oder von den Leuten ab, die die Fernsehshows produzieren. Sie werden wie Kleingeld behandelt.

Wo lebt Ruth jetzt?

Bei ihrer Mutter in Nordengland. Ihre Mutter hat wieder geheiratet und noch ein Baby bekommen. Für Ruth ist es gut, dass sie jetzt in einer richtigen Familie aufwächst und dass sie Geborgenheit hat. Sie liebt ihren kleinen Bruder.

Und wo leben Sie?

Ich bin immer unterwegs. Ich habe zwar ein Haus in Chelsea in London, aber da bin ich im letzten Jahr kaum gewesen. Ich weiß noch nicht, wo ich hingehen werde. Ich werde sicher auch viel Zeit auf Antigua verbringen, weil dort das Therapiezentrum ist.

Antigua ist ja auch nicht der schlechteste Wohnort...

Die Insel ist sehr schön. Wunderbares Wetter. Aber die Wirbelstürme machen mir Angst. In den letzten vier Jahren haben wir fast jedes Jahr einen Hurrican gehabt. Die alten Leute auf der Insel behaupten, die Wirbelstürme kommen alle 30 Jahre in Schüben. Die Wissenschaftler sagen, dass die Hurricans in Zukunft häufiger und stärker auftreten werden. Sollte das eintreffen, wird das Leben dort hart. So ein Wirbelsturm kann die Stromversorgung und die Kommunikationssysteme für zwei Monate lahmlegen. Und wir dürften dann auch mit unserem Therapiezentrum Probleme bekommen.

Was tun Sie, wenn Sie nicht arbeiten?

Ich angle gern, ich lese Bücher oder male.

Gehen Sie in den jeweiligen Städten in Galerien oder Museen, wenn Sie auf Tournee sind?

Museen reizen mich nicht. Straßenkunst gefällt mir besser, ich mag Graffiti. Unkontrollierte Situationen ziehe ich vor. In einem Museum bekomme ich leicht klaustrophobische Zustände. Ich habe das Gefühl, als würde ich mir etwas anschauen, weil ich es mir ansehen soll. Ein Teil von mir ist wohl immer noch ein bisschen rebellisch. Ich gehe lieber spazieren und sehe mir die Leute auf der Straße an. Das ist lebendige Kultur: Was haben die Leute an? In welche Restaurants gehen sie? Was essen sie? Worüber sprechen Sie?

Werden Sie dann nicht von Ihren Fans belästigt?

Doch. Heute ist mir das hier in Helsinki passiert. Gestern abend muss die halbe Stadt bei meinem Konzert gewesen sein. Viele Fans sprachen mich an. Ich fand das einerseits großartig. Aber dann dachte ich: "Ich will zurück auf mein Zimmer. Ich will mit niemandem sprechen." Ich bin nun mal am liebsten anonym. Das gehört auch zum Anti-Alkoholismus-Programm. dass ich die Chance habe, anonym zu bleiben. Ich lebe gern in der Illusion, einfach in der Menge verschwinden zu können. Was mich am Musikerdasein reizte, war die Möglichkeit, nachts mit einer Gitarre im Koffer durch die Hintertür in einen Club zu gehen, mit einer Band auf die Bühne zu steigen, zu spielen und dann wieder zu verschwinden. Am besten, ohne dass mich jemand erkannt hat. Wie der Revolverheld, der in der Stadt einreitet. Ein sehr romantisches Szenario. Ich entferne auch alle Etiketten aus meinen Kleidern.

Als ich Sie vor einigen Jahren traf, trugen Sie noch Designerklamotten. Jetzt tragen Sie eine ziemlich schlabberige Hose und ein T-Shirt. Warum haben sie Ihren Stil geändert?

Auch das hier sind Designerklamotten. Diese Hose stammt von zwei Skatern, die sich Siesta nannten und gerade in Konkurs gegangen sind. Und das T-Shirt ist von einer New Yorker Firma namens Project Dark Dragon. Das sind drei Graffitikünstler, die auch Kleidung entwerfen. Das hier ist modernes Design, wenn auch weder französisch noch italienisch. Dieses T-Shirt ist ein seltenes exklusives Stück, es gibt sie nur in New York.

Was haben Sie mit Ihren Armani-Anzügen gemacht?

Ein paar habe ich noch. Ich habe die Anzüge immer in großen Mengen gekauft und sie dann an ein Geschäft in Chelsea weitergegeben, das sie verkauft hat. Mit dem Geld wurde das Rehabilitationszentrum Sharp in London unterstützt. Das ist ein Therapiezentrum, das tagsüber für alle offen steht. Ich unterstütze es mit all diesen Armanianzügen. Ich habe aber von jeder Kollektion ein paar interessante Stücke behalten, quasi als Ausstellungsstücke für mein kleines Museum.

Fiel es Ihnen schwerer, sich von Ihren Gitarren zu trennen, die Sie zugunsten Ihrer Drogenklinik versteigerten?

Sie werden noch versteigert, vermutlich über Christie's in New York. Ich habe an die 100 Gitarren aus meiner Sammlung ausgesucht, die besonders wertvoll sind. Die Beste ist wohl die Stratocaster, auf der ich "Layla" eingespielt habe. Sie bringt hoffentlich viel Geld für das Therapiezentrum ein.

So, wie Sie davon sprechen, hat man das Gefühl, dass Sie sehr an Ihren Gitarren hängen.

Das tue ich auch. Ich verbinde sie mit bestimmten Phasen in meinem Leben. Ich gehöre zu den Musikern, die ihr Herz an ein Instrument hängen, und vielleicht habe ich meinen Instrumenten dabei auch einen Teil meiner Persönlichkeit mitgegeben. Ich habe sie so gespielt, dass ein anderer Musiker vielleicht merkt, dass etwas Besonderes an ihnen ist. Ich empfinde das immer so, wenn ich mir eine Gitarre auf dem Trödelmarkt kaufe. Ich spüre sofort, ob ein guter Gitarrist die Gitarre gespielt hat. Sie lässt sich besser spielen. Und so tragen auch meine Gitarren einen Teil von mir in sich. Einige mehr als andere, weil ich mit einigen wirklich viel Zeit verbracht habe.

Ist "Layla" einfach nur ein guter alter Song für Sie, oder erinnert er Sie an die Vergangenheit, wenn Sie ihn spielen?

Es ist lange her, dass dieser Song entstand. Ich war damals sehr jung, sehr naiv und sehr leidenschaftlich. Das war eine verrückte Zeit. Aber ein Teil der starken Gefühle von damals kommen immer noch hoch, wenn ich den Song spiele. Ich würde heute viele Dinge anders machen.

Was zum Beispiel?

Ich würde anders an die Beziehung mit meiner Ex-Frau herangehen. Das war eine traurige Geschichte, bei der auch Alkohol und Drogen eine große Rolle gespielt haben. Es war damals , als führten meine Gefühle ein Eigenleben. Und sie kommen wieder hoch, wenn ich den "Layla" spiele.

Auch bei der Unplugged-Version, der erwachsenen Fassung?

Auch in der Version kann ich mit meinen Gefühlen denselben Ort aufsuchen, an dem ich damals war.

Was steht als nächstes musikalisches Projekt an? Wieder eine Platte mit Simon Climie?

Gerade habe ich mit ihm darüber gesprochen, dass wir vielleicht ein gemeinsames Album mit B.B. King aufnehmen werden (Riding with the King). Simon wäre dafür ein erstklassiger Produzent. Er hat ein gutes Gehör fürs Zeitgemäße. Er weiß, was sich in der R&B Szene, in der Dancefloor- und Techno-Szene tut. Und es ist sicher interessanter, einige dieser Elemente in ein Blues Repertoire zu integrieren, als auf traditionelle Art zu arbeiten.

 

 

 

 

 

 

Das Interview mit Eric Clapton führte Christiane Rebmann am 29. November 1998 in Helsinki exklusiv für die Volkswagen Sound Foundation