©ap, März 2001
Lust auf Geschichten
Eric Clapton: Reptile - zwei Kritiken
Im englischen Ripley ist "Reptile" ein Kosewort: "Hier
kommt das Reptil, das Banjo spielt." So führte Charlie Cumberland seinerzeit den
jungen Eric Clapton in seinen Musikerkreis ein, und dieser Charlie, sagt Eric, war selbst
ein "Reptile". Clapton, der am 30. März 56 Jahre alt wird, präsentiert sich
auf seinem neuen Album entspannt und locker wie lange nicht mehr. Das melodramatische
Pathos des 98er-Albums "Pilgrim" ist einem selbstbewussten Gestus gewichen,
einer Lust, musikalische Geschichten zu erzählen und anderen Musikern eine Referenz zu
erweisen. Der kreative Auslöser war der Tod seines Onkels Adrian im vergangenen
Frühjahr, wie Clapton im Booklet erzählt. Dieser auch "Son" genannte Onkel
hatte großen Einfluss auf den kleinen Eric, der uns als Cover-Porträt entgegen lächelt.
"In diesen frühen Tagen dachte ich, er sei mein Bruder, und im
Ergebnis hatte er einen unglaublich nachhaltigen Einfluss darauf, wie ich die Welt
wahrnahm ... Ich erkenne jetzt, dass mein Geschmack von Musik, Kunst, Kleidung, Autos und
so weiter in dieser Lebensphase geprägt wurde, und zwar überwiegend durch die
wundervolle Beziehung, die ich zu meinem Onkel Adrian (alias "Son") und seiner
Frau Sylvia hatte."
Claptons vielleicht persönlichstes Album geht aber über Trauerarbeit
souverän hinaus. Begleitet von seinen langjährigen Musikern und dem seit dem
B.B.-King-Album "Riding With The King" in den erlauchten Kreis aufgenommenen
Gitarristen Doyle Bramhall II spielte er Songs anderer von ihm verehrter Reptile wie
J.J.Cale, Ray Charles, Stevie Wonder und James Taylor ein, changiert mit Leichtigkeit
zwischen Blues, Jazz, Soul und Rock - in einem Album, das von Anfang bis Ende Genuss
bereitet. (Uwe Käding)
©Frankfurter Rundschau, 2001
Sexy wie Badeschlappen
Eric Clapton, der Göttliche. Spätestens seit Cream und White Room.
Allerspätestens seit Layla. Aller allerspätestens seit Wonderful Tonight. Jetzt aber
gräbt der Unsterbliche an seinem Grab: Schon Riding With The King war nicht das
Blues-Fest, das die Zusammenarbeit mit B. B. King verhieß. Reptile, das neueste Album,
ist noch hundertmal öder. Und das, obwohl "Mister Slowhand" sich vermeintlich
unverwüstlichen Songmaterials annimmt: Doch J. J. Cales Traveling Light klingt hier wie
ein x-beliebiger Mark-Knopfler-Song, James Taylors Don't Let Me Be Lonely Tonight nach
Schmusenummer beim High-School-Dance und Ray Charles' Come Back My Baby so sexy wie
Badeschlappen. Die einst kraftvolle Gitarre, zuletzt mühevoll zwischen elegant und banal
balancierend, floskelt geradezu unverschämt. Claptons Stimme raspelt nicht rau und ruhig
wie sonst, sondern wird zum Kieksen und Tremolieren gezwungen. Die schlimmsten Momente der
Platte klingen wie Hintergrundmusik zu den Blutspendeterminen im Radio, die besten wie ein
paar alte Herren beim Bluesfrühschoppen. Von der Sorte hat Clapton schon genug
aufgenommen, authentischer, origineller - und vor allem göttlicher. (olk) |
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